#1 Kunst und Recht – Lavinia Lanner, Mira Klug

25. Apr 2024 — 28. Jun 2024

„Kein Tag ohne Linie“ – Lavinia Lanners Medium ist die Zeichnung. Akribisch fügt sie dabei mit der immer selben Bewegung Strich an Strich, Schicht über Schicht, stets mit einem Bleistift der Härte 3B. Denn wäre der Stift zu weich, würde die Zeichnung zu dunkel und verlöre an Nuancierung, wäre er zu hart, würde er die Oberfläche des Papiers verletzen.

Indes wurde die Künstlerin bekannt für feine, fantasievolle Abstraktionen, deren Formen dabei immer – von der Künstlerin gewollt – Mehrdeutigkeit, ein lustvolles Wiedererkennen realer Vorbilder zulassen. Hybride noch nie dagewesene Formen aus tausenden präzisen, aus dem Handgelenk geführten Strichen, durch die Lanners Neuschöpfungen eine Dynamisierung erfahren, treten dem Betrachter erhaben aus dem Papier entgegen oder leiten dessen Blick in die Tiefe. Lanner selbst bezeichnet ihren Zeichenprozess deshalb gerne auch als bildhauerische Geste. Studiert hatte die passionierte Zeichnerin, die zahlreiche Ausstellungen und Arbeitsaufenthalte auch ins Ausland führten (Italien, Frankreich, England, aber auch Iran oder Indonesien) wiederum in einer Malereiklasse (Hubert Schmalix). Lanners Ziel jedoch blieb die Auseinandersetzung mit dem Medium Zeichnung, der ihr zugeschriebenen Unmittelbarkeit bzw. Spontanität, es geht um ein Thematisieren ihrer künstlerischen Praxis, Wahrnehmung, aber auch Zeit.

Auch Mira Klugs Arbeiten gründen auf alltägliche Handlungen. So schälte sie für „Leibliches Ornament“ (2020) jahrelang Mandarinen, deren Schalen sie presste und archivierte und diese subjektive Praxis anschließend in eine abstrakte Formensprache überführte. Für die Serie „imāgo“ (2023) generierte die Künstlerin mithilfe eines AI-Generators – als Wiederaufnahme einer alten, insbesondere im Barock, einer Zeit großer Volksfrömmigkeit üblichen Praxis – neue Votivfiguren[1]. Anschließend wurden diese computererzeugten Motive (zumeist unlesbare, abstrakte Formen) in Wachs gegossen. Die Künstlerin verweist mit diesen Werken u.a. auf Zeit, Vergänglichkeit, aber auch Erinnerung und Wiederholung, wobei Wiederholung immer auch Kontinuität verheißt, „Erinnerung in vorwärtiger Richtung“ (Søren Kierkegaard) – das Vergangene kehrt durch die Wiederholung zurück.

Für ihre jüngste Serie „Verwobene Bilder von Bildern, Bilder von Texten, Bilder von Bildern von Bildern“ (2024) wurden die von Klug hergestellten Votivbilder wieder verformt und analog abfotografiert, die in ihnen geborgenen Sorgen, Hoffnungen, Ängste so wieder eingeschmolzen, Emotionen, Erinnerungen verformt. Mira Klug interessiert sich nicht nur hier für archäologische Prozesse, in denen Materialien bzw. Zeit in einem ständigen Wandel begriffen sind und stellt durch ihre Methodik Fragen auch über mögliche Zukünfte und die Veränderlichkeit von Strukturen.

Birgit Laback

[1] Votivfiguren wurden für eine erhoffte oder bereits erfolgte Rettung aus einer Notlage gestiftet.

In Kooperation mit Galerie Rudolf LEEB

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