THE SILENCE NEVER WAS MORE PENETRATING? BUGS FROM OUT OF SPACE ON ACID KILLING EACH OTHER
Corinne Rusch
Donnerstag, 18. Mai 2017
In den vergangenen Jahren widmete sich Corinne L. Rusch wiederholt und intensiv dem Thema Landschaft und ihren Einschreibungen: 2012 beschäftigte sie sich mit New Yorker Straßen nach dem Hurrikan Sandy; 2014 mit der Lage Detroits; von 2007 bis 2011 in der Serie Badrutts Palace & Co mit Nobelhotels der Jahrhundertwende und erzählte die Geschichten ihrer Gäste – als Fiktionen, indem sie das Gewöhnliche außerordentlich erscheinen und ins Absurde gleiten ließ – und als offenes Spiel mit den Figuren, als einer Wirklichkeit zwischen Alltag und poetischer Form.
In den Arbeiten der Serie The Silence Never Was More Penetrating? Bugs from out of Space on Acid Killing Each Other referiert die Künstlerin nun auf bizarr-verwaiste Landschaften. Jedoch transportieren auch sie Spuren von Geschichte, seiner Menschen und das Echo ihrer Stimmen. Reste einer Zeit, von Erinnerungen werden in ihnen sichtbar, die jedoch weder räumlich noch zeitlich eindeutig zu verorten sind. Entstanden während einer einmonatigen Reise nach Namibia konfrontiert Rusch in diesen Arbeiten die nostalgische Urtümlichkeit dieser Landschaft umgehend mit heterogenen Einschreibungen unserer globalisierten, enträumlichten Welt.
Reisen sind in den Werken zeitgenössischer Künstler allgegenwärtig, längst ist der zeitgenössische Künstler zu einem homo viator geworden. Doch: Wie soll man zum Entdecker einer Welt werden, die Satelliten bereits völlig mit einem Rasternetz überzogen haben? Wie Pierre Huyghe erkennt auch Corinne Rusch Fiktion als ein geeignetes Mittel zur Erfassung des Realen: „sie sei ein Fortbewegungsmittel, das es ermögliche Wissen über unsere zeitgenössische Welt hervorzubringen“ (Nicolas Bourriaud, Radikant, Merve 2009, S.115) – und in der realen Geographie Freiräume zu öffnen. Wurde Zeit früher als lineare Aufeinanderfolge und Raum in seiner Simultanität erkannt, so leben wir heute in einer Zeit, in der nichts mehr verschwindet, sondern infolge einer frenetischen Archivierung alles angehäuft wird und koexistiert. So verkörpern Ruschs Arbeiten Hybride – aus heterogenen Zeitlichkeiten, Räumen, Materialien und präsentieren hybridisierte Räume, in denen das Virtuelle und Reale sich vermischen.
Darüber hinaus destabilisieren die jüngsten Arbeiten der Künstlerin die Begriffe von Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Fiktion und beschäftigen sich mit kulturellen Übersetzungsprozessen bzw. kulturellem Wandel. Statt Handlungen oder Geschichten (wie in Badrutt’s Palace) treffen hier bloß noch Erinnerungen aufeinander, lösen sich ab oder fusionieren. Rusch setzt auf Leerstellen, die der Betrachter angehalten ist aufzufüllen. Zusätzlich legen Requisiten und Kostüme Fährten, die aber auch im Nirgendwo enden können.
Ruschs Arbeiten beschwören so eine Science-Fiction-Utopie bzw. -Dystopie. Das Kippen der Motive ins surreal-Absurde steht stellvertretend für die als Bedrohung erlebten Metamorphosen unserer Umwelt. Sie vermitteln etwas Apokalyptisches und markieren doch auch einen Neubeginn. Und gerade für Ambivalenz interessiert sich die Künstlerin besonders.